Wer mit dem Fahrrad pilgert, fährt nicht nur eine Strecke, sondern nimmt bewusst den Weg wahr, lässt sich Zeit und sammelt auf jeden Fall eines: Erfahrungen. „Ich kann garantieren: Das wird ein Erlebnis“, sagt Jürgen Möller. Der 64-Jährige war lange im Marketing eines kommunalen Energieversorgers tätig, ist seit einem Jahr in Rente. Und er fährt seit mehr als 40 Jahren begeistert Rad.
Seit einigen Jahren ist Möller offizieller Pilgerbegleiter der Landeskirche Hannovers - und weiß, dass es beim Fahrradpilgern keineswegs um Sport allein geht: „Da begegnen mir und meinem Zweirad eine Fülle von Menschen und Geschichten. Auch solche aus meinem eigenen Leben.“ Dass aus vielen Regionen Deutschlands - etwa aus Heidelberg, Rendsburg und Potsdam - Gruppen mit dem Rad zum Kirchentag in Hannover pilgern, kann sich Möller gut vorstellen: „Ich bin da selbst auch schon mitgefahren. Das sind besondere Erfahrungen. Und die tun unglaublich gut.“
Jürgen Möller begleitet auch für den Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) Touren. Beim Radpilgern dagegen sorgt er nicht nur für die richtige Streckenführung. Er hilft auch dabei, eine andere Haltung zum gemeinsamen Weg zu entwickeln: “Es gibt immer auch geistliche Impulse am Wegesrand, man hat ein Thema für den Tag, meist beginnt der auch mit einer Andacht.“ Auch das gemeinsame Singen vor oder nach der Tagestour sei eine wichtige Aktivität.
Der bekannte Pilgerweg von Loccum ins thüringische Volkenroda etwa biete für Radpilger einiges, sagt Möller. Kirchen und Klöster am Weg erlaube Pilgern, vor und nach Tagestouren zu Andachten und Impulsen einzukehren: „Die Pilgerherberge in Bursfelde mit Übernachtung in der Scheune, das Kloster Amelungsborn, da ist schon eine Menge zu sehen und viel zum Nachdenken dabei. Gerade auch für Menschen wie mich, im Übergang vom Berufsleben in die Rente.“
Der Pilgerweg führt an manchen Stellen allerdings durch den Wald und ist mit dem Rad nicht komplett zu bewältigen. Jürgen Möller hat das bei seiner ersten eigenen Tour selbst erlebt: „Da waren kurz vorher die Baumfäller im Einsatz und alles noch voller Matsch. Dann musste ich mein Rad eben über eine Wiese schieben. Solche Herausforderungen gehören zum Pilgern genauso wie zum Leben“, sagt der passionierte Radfahrer: „Aber dann steigt man wieder auf und freut sich, dass alles wieder leichter läuft.“
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Fragen und Antworten zum Radpilgern
Was braucht man fürs Radpilgern?
Fürs Radpilgern braucht man kein Mountainbike und auf jeden Fall auch keinen E-Antrieb. Viel wichtiger ist geeignete Kleidung, damit das Fahren bei Wind und Wetter möglich ist. Das heißt auch: Schuhe nutzen, mit denen man im Zweifel wandern könnte. Denn auf manchen Streckenabschnitten muss das Rad geschoben werden.
Muss ich schnell und sportlich fahren?
Manche fahren schneller als andere, sind vielleicht auch mit Motor unterwegs. Wie organisiert man auf einer Tour die unterschiedlichen Geschwindigkeiten? Eine gewisse Ausdauer ist natürlich schon Voraussetzung. Pilgerbegleiter Jürgen Möller gibt aber bewusst ein moderates gemeinsames Tempo von 14 bis 16 Stundenkilometern vor: „Wer sich anmeldet, muss dazu in der Lage sein. Und das täglich bis zu fünf Stunden.“ Was vor allem heißt: Der Wille zur Tempodrosselung muss vorhanden sein. Zumal der Tourguide immer vorfährt: „Mich überholt keiner“. Bei einem größeren Anstieg dürften manche vielleicht schneller sein - warten dann aber oben, bis auch der oder die Letzte hochgehechelt kommt. Denn eine Pause nach der Anstrengung haben sich alle verdient, egal wann sie ankommen.
Was bieten Kirchen und Klöster am Wegesrand?
Wenn Kirchen an Rad- oder Pilgerwegen liegen, sind die Gemeinden oft auf Gäste eingestellt, die mit dem Fahrrad vorbeikommen oder pilgern. Diese Kirchen haben ein Signet an der Eingangstür, das grün für Radwegekirchen und orange für Pilgerkirchen ist. Oft gibt es dann Wasser, Pilgerstempel und andere Angebote. Eine Übersicht der verlässlich geöffneten Kirchen in der Landeskirche Hannovers ist auf der Internetseite www.offene-kirchen.de zu finden. Radwegekirchen sind bundesweit auf radwegekirchen.de zusammengefasst. Alle Informationen zum etwa 300 Kilometer langen Pilgerweg auf den Spuren der Zisterzienser unter www.loccum-volkenroda.de.